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Quarantäne Alltag – Alles anders in Familie und Schule

Mein jüngster Sohn ist zum dritten Mal in Quarantäne in diesem Schuljahr. Dieses Mal hat es mich auch erwischt und wir warten mal wieder auf einen hoffentlich negativen Test.

Abgesehen davon, dass dies immer eine organisatorische Herausforderung für mich darstellt, da ich alleinerziehend bin, bedrückt es meine größeren beiden Schulkinder viel mehr. Für sie läuft der Alltag normal weiter, aber was ist mittlerweile schon normal?

Schule

In den letzen Wochen sind meine Klassen immer zur Hälfte leer gewesen. Das neue „Schnupfenpapier“ im Saarland fordert, dass alle Kinder bei den geringsten Symptomen erstmal Zuhause bleiben zur Beobachtung. Leider hat fast jeder Schnupfen! Es ist eine Herausforderung, neuen Stoff einzuführen und immer daran zu denken, wem die Einführung noch fehlt und wer welche Arbeitsmaterialien noch braucht, wenn er wieder zurück ist.

Es sollen weiterhin Leistungsnachweise durchgeführt werden und deshalb ist mein Anspruch, dass der Unterricht trotz allem eine gute Qualität hat. Mittlerweile sind wir in den Klassen vollkommen durchgefroren. Auch wenn wir Westen und Decken mitbringen, ich mich in meinen Lieblingsschal hülle – ich habe das Gefühl, die Kälte steckt in meinen Knochen und vielen Schüler:innen und Kolleg:innen geht es auch so.

Die Thermoskanne mit Tee ist meine ständige Begleiterin. Aber ich merke, dass die Kälte und das Lüften in Kombination mit der Maske meine Konzentration schwächen. Ich bin an einer Ganztagsschule tätig und nach der 6. Stunde habe ich jeden Tag Kopfschmerzen und Stimmprobleme im Englischunterricht – dann geht es aber meistens noch 3 Stunden weiter.

Meinen Schüler:innen geht es auch so! Viele gehen früher nach Hause, weil ihnen schlecht wird und weil sie Kopfschmerzen, Schwächegefühle bekommen. Den halben Schultag schaffen wir so, aber am Nachmittag wird es schwierig.

Schüler

Die Kinder, denen es am schwersten fällt und die zur Zeit aus dem System heraus fallen, sind genau die, welche sowie so schon Lernschwierigkeiten oder diverse Diagnosen haben. Durch die Bank weg sind es meine Schüler:innen mit ADHS, ADS und LRS, die sich nicht an die Änderungen, den spürbaren Druck von allen Seiten gewöhnen können und ihre Auffälligkeiten werden stärker. Gerade diese Kinder brauchen Routine, Struktur und Halt! Bei jeder Lüftperiode zappelt mein ADHS-Schützling und sobald ein Luftstoß seine Arbeitsblätter berührt, kann er sich kaum noch beruhigen.

Vermehrt haben die Kinder mit LRS extreme Kopfschmerzen. Auch wenn dies meist gute Schüler:innen sind, scheint die eingeschränkte Konzentrationsleistung durch die Masken es noch zu erschweren, die geistige Mehrarbeit zu leisten, ihre Störung oder Schwäche zu kompensieren. So geht es auch meinem eigenen Sohn! Tagelang kam er nach der Schule nach Hause und lag in einem dunklen Zimmer, weil er Migräneschübe hatte. Dies ist bei Kindern mit starker Lese-Rechtschreib-Störung öfters anzutreffen, aber mit der neuen Situation in der Schule war es sehr auffällig.

Sensible Kinder leiden zudem unter dem Druck, der zwar von uns Lehrern abgefedert wird, aber trotzdem von allen Seiten durch die Regelungen und Richtlinien immer präsent ist. Manchen Kindern rutschen immer die Masken herunter, einige Schüler:innen haben keine Wechselmasken und „vergessen“ die Regelungen. Immer wieder weise ich sie darauf hin! Ich kenne meine Schüler:innen gut und weiß, dass dies nicht mit Absicht geschieht.

Unsere Schüler:innen mit besonderem Förderbedarf werden momentan nur sporadisch von den ihnen zugeordneten Förderlehrern betreut, da es auch hier einen hohen Krankenstand gibt und die Förderung in gemischten Gruppen fällt für sie auch komplett weg aufgrund der neuen Regelungen. Gerade hier ist es besonders zu merken, wie die wöchentlich oder manchmal sogar täglich wechselnden Anordnungen und neuen Regelungen den Kindern ihre Basis unter den Füßen weg ziehen, weil sie Orientierungspunkte verlieren. Das wäre natürlich noch schlimmer, wenn die Schulen schließen würden, das ist mir bewusst!

Familie

Meine Freundin und Lehrerin wurde nun positiv getestet. Sie ist die einzige Person außer meinem Lebensgefährten, die ich ohne Maske getroffen habe. Wir haben mit Abstand Zuhause Tee getrunken. Nun bin ich in Quarantäne und musste mich an einigen Stellen rechtfertigen, warum das so ist. Als wäre ich eine Party-Maus und würde verantwortungslos handeln! Nein, ganz und gar nicht! Seit März haben meine Familie und ich sehr verantwortungsvoll gehandelt und immer auf Abstand geachtet und kaum Menschen getroffen – außer in der Schule. Und genau dort hat sich auch meine Freundin infiziert, denn ein positiv getesteter Schüler saß bei ihr in der Berufsschule in der ersten Reihe. Trotz Lüften und Abstand, sowie Maske sieht es in vielen Klassen so aus, dass sich Kinder und Lehrer infizieren.

Ich bin dafür, dass die Schulen offen bleiben – das ist keine Frage für mich! Denn an meiner Schule geht sonst die soziale Schere noch weiter auseinander. Aber ich wünsche mir, dass wir den Druck für alle herausnehmen und die Schule als Lernort gestalten, in dem sich alle sicher fühlen und trotzdem Lernen möglich ist. Ich sehe das im Moment nicht erfüllt, egal wie sehr wir uns hier bemühen.

Ich finde auch die Maskenpflicht durchaus sinnvoll, aber wie schon im letzen Artikel erwähnt, wäre es gut, wenn wir alle versöhnlicher, menschlicher damit umgehen.

Mein ältester Sohn fehlte also einige Male in den letzen Wochen und es geht auch meinen Schüler:innen so, dass sie den verpassten Lernstoff kaum aufholen können. Trotzdem wird darauf bestanden, Leistungsnachweise direkt nachzuschreiben und von Seiten seiner Lehrer:innen wird im fast täglich gesagt, er müsse sich zusammenreißen, um in seinen Kursen zu bleiben oder er wird herab gestuft. Das führt bei ihm schon zu Schulangst, denn bis zu diesem Schuljahr war er ein guter Schüler und im Home Schooling konnte er nochmals seine Stärken zeigen und er hat sehr gute Projektarbeiten und Ergebnisse erzielt. „Ich schaffe das nicht!“ ist nun sein neues Mantra. Ich versuche natürlich aufgrund meiner Erfahrung und meines Backgrounds ihn emotional zu unterstützen. Aber das Umkehren seiner negativen Gedanken in Bezug auf Schule zur Zeit funktioniert nur bedingt. Denn jeden Morgen geht er motiviert zur Schule und jeden Nachmittag kommt er mit einem Gefühl des Versagens nach Hause. „Ich muss DAS nachholen, DAS einreichen, DAS vorbereiten!“, der Berg ist für ihn unüberwindbar.

Und ich weiß, dass es vielen meiner eigenen Schüler:innen ganz genauso geht!

Welche Lösung sehe ich da? Als Eltern und Lehrer brauchen wir viel Empathie in dieser Zeit und Mitgefühl auch für uns selbst. Wir sollten gut für uns sorgen und den Druck, die Ängste und Zweifel, die wir als Erwachsene spüren nicht an die Kinder weitergeben.

Ich würde mir wünschen, dass im Unterricht nicht so viel Wert auf Quantität gelegt würde. Ich selbst habe darauf geachtet, in meinen Klassen Ruhephasen und individuelle Lernangebote anzubieten, damit Kinder den neuen Stoff mitbekommen und er sich verfestigt, ohne dass JEDER ALLES schaffen muss. Nicht erst seit Corona ist die individuelle Förderung in den Schulen eine Forderung und es ist aus eigener Erfahrung möglich, auf einem individuellen Lernweg ein gemeinsames Lernziel zu erreichen.

Ich habe keine Lösung parat und meine Gedanken zu dem Thema Schule in Zeiten von Corona drehen sich da sehr im Kreis, denn alles was ich selbst tun kann, ist in Beziehung zu den Menschen mit denen ich arbeite zu gehen, für uns alle Verständnis zu haben und darauf zu bauen, dass wir lernen, mit den neuen Situationen umzugehen. Wie ich das tue habe ich hier https://kirstenkirsch.blog/2020/11/10/unterricht-in-der-zeit-von-corona/ etwas ausführlicher beschreiben.

Aber nicht jeder kann das gleich schnell und ich würde mir wünschen, dass wir da dem Individuum mehr Zeit zur Anpassung geben. Für einige Kinder und selbst für mich als Erwachsene braucht es einfach mehr Zeit! Und die bekommen wir teilweise nicht! Denn der Ton in der Gesellschaft wird immer rauer und uns wird immer wieder gesagt, wir sollen uns nicht so „anstellen“. Ich denke mir dann immer, wenn Lehrer so hart in ihrem Urteil gegenüber anderen sind, wie sie wohl mit sich selbst oder ihren engsten Bezugspersonen umgehen? 

Seit März hilft es mir immer wieder, mich mit meiner Intuition zu verbinden, in meinen Herzraum zu spüren und danach zu handeln. So habe ich es geschafft, meine Herzkompentenz in der Schule auszubauen. Sie ist eine Säule, die mich in diesen Zeiten trägt.

Meine Übung des „Herzspürens“ werde ich im Advent mit dir als Video- und Audiodatei teilen, melde dich dazu am besten zum Newsletter an:

https://aw18e419.aweb.page/p/903d8941-def7-4a05-ae04-754a1ff5cb1d

Was sind deine Bewältigungsstrategien in dieser Krise und was deine Gedanken? Ich würde mich freuen, wenn du sie mit mir teilst!

Herzlichst, Kirsten Kirsch

Fotoquelle: pixabay

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